Ausleitungsverfahren: Blutegeltherapie

Ausleitungsverfahren: Blutegeltherapie

Ausleitungsverfahren: Blutegeltherapie

 

Blutegel

Mehr als ein Ausleitungsverfahren

Was den Blutegeleinsatz von allen anderen Ausleitungsverfahren unterscheidet, ist die einzigartige Wirkung seines Speichelsekrets, welches der Egel während des Saugens ins Blut und Gewebe der Patienten abgibt. Die Zusammensetzung des Speichels ist auch der Grund, weshalb der Blutegeltherapie ein völlig neues Anwendungsspektrum zugesprochen werden kann.

Die Blutegeltherapie wird seit mehr als 2000 Jahren angewandt und gehört somit zu den ältesten Heilmethoden der Medizingeschichte. Diese Therapie ist in altägyptischen Aufzeichnungen ebenso dokumentiert wie in Jahrhunderte alten indischen, römisch-griechischen und arabischen Schriften [1]. Im Mittelalter wurde in England der Begriff „Leecher“ (abgeleitet von englisch leech=Blutegel) synonym für Angehörige der Heilberufe verwendet [2].

Die Anwendung von Blutegeln wurde im historischen Kontext in der Regel aus der Lehre vom Ungleichgewicht der Körpersäfte (Humoralpathologie) abgeleitet. Analog zum Aderlass wurde die Blutegeltherapie als eine Methode angesehen, die durch Ausleitung schädlicher Säfte und vermehrter Blutfülle (Plethora) die Heilprozesse in Gang setzt. Mit dem Niedergang des humoralpathologischen Krankheitsdogmas und der vermehrt naturwissenschaftlich orientierten Medizin verlor die Blutegeltherapie rasant an Anerkennung und wurde über Jahrzehnte kaum noch angewandt. Inzwischen hat die Blutegeltherapie eine erstaunliche Renaissance erfahren, die zu einem eklatanten Wechsel des Indikationsspektrums geführt hat. Mit einem regelrechten Paradigmenwechsel wird jetzt die hauptsächliche Wirkung der Blutegeltherapie – aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – in der modernen Medizin nicht mehr in der Ausleitung gesehen, sondern als Ergebnis der mit dem Blutegelspeichel (Saliva) abgegebenen Wirksubstanzen.

Wirkmechanismus

In der Saliva wurden an die 200 Substanzen entdeckt, von denen einige eindeutig als Wirkstoffe im klassischen Sinn des Arzneimittelbegriffs bezeichnet werden können. Hildebrandt & Lemke [3] haben 2011 den Stand der Arbeiten zur biologischen Aktivität der Saliva-Wirkstoffe zusammengefasst, von denen in ►Tabelle 1 einige dieser Wirkstoffe erläutert werden.

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  Tab. 1: Wirkmechanismus und therapeutische Wirkung ausgewählter Substanzen des Blutegelspeichels.

Anwendungsgebiete

Für die Anwendung der Blutegeltherapie als Ausleitungsverfahren ist zu beachten, dass sich während des ca. 60 bis 90 Minuten dauernden Saugvorgangs ein Blutverlust von ca. 10 bis 20 ml pro angesetztem Egel ergibt [4]. Während der Stunden dauernden Nachblutung im Anschluss an den Blutegelbiss wird eine annähernd gleiche Menge ausgeleitet. Somit entsteht bei Ansetzen eines Blutegels ein Blutverlust von 20 bis 40 ml pro Egel. Bei Ansetzen von therapieüblichen 4 bis 6 Blutegeln ist mit der Ausleitung von 80 bis 240 ml Blut zu rechnen, so dass man mit dieser Behandlung noch nicht die beim Aderlass übliche Menge (500 ml) erreicht. Als Ersatz für den Aderlass findet die Blutegeltherapie heutzutage kaum noch Anwendung. Er ist auf die Fälle begrenzt, bei denen aus technischen Gründen ein Aderlass undurchführbar ist (z.B. adipöse Personen) oder wo die Ausleitung lokal begrenzt durchgeführt werden soll [1].

Blutegel 2

Der Blutegelspeichel kann ein stundenlanges Nachbluten an der Bissstelle bewirken.

Die Indikationsschwerpunkte der heutigen Blutegeltherapie liegen dagegen auf dem Einsatz bei Durchblutungsstörungen sowie chronischen Entzündungen und in der Schmerztherapie [5, 6]. Aus diesen Wirkmechanismen leiten sich eine Reihe von Indikationen ab (Ergebnisse klinischer Studien):

Arthrose

So zeigten sich beim Einsatz der Blutegeltherapie bei Arthrosen erstaunliche Erfolge. Bei 51 Patienten mit chronischer Kniearthrose wurden nach einer einmaligen Blutegeltherapie (4 bis 6 Blutegel) im Vergleich zur täglichen Anwendung einer Standardbehandlung (Diclofenac Gel) über 4 Wochen signifikant stärkere Effekte (Schmerzreduktion, Beweglichkeitsverbesserung) der Blutegeltherapie nachgewiesen [7].

Kniearthrose

Kniegelenkarthrose 1

 

In einer Meta-Analyse klinischer Studien zur Blutegeltherapie bei Kniearthrose-Patienten wurden statistisch abgesichert starke Effekte der Blutegeltherapie auf rasche und kurzfristig andauernde Schmerzreduzierungen festgestellt, sowie mittlere Evidenz für langfristige Besserungen [8]

In einer Langzeitstudie mit 400 Kniearthrose-Patienten ließ sich bei 15 % nach einmaliger Blutegelbehandlung keine relevante Wirkung erkennen [9]. Bei den restlichen 85 % Patienten führte die einmalige Blutegelbehandlung zu 3 bis 12 Monate andauernden positiven Therapie-Effekten. Ein geringer Teil Patienten (< 10 %) berichtete erst bei einer zweiten Behandlung über relevante Wirkeffekte.

Daumenarthrose

Eine weitere Studie untersuchte den Effekt der Blutegeltherapie bei 32 Patientinnen mit Arthrose des Daumensattelgelenks [10]. Auch hier zeigte die einmalige Blutegeltherapie im Vergleich zu einer über 4 Wochen täglich verabreichten Standardtherapie (Diclofenac Gel) eine signifikant stärkere Wirkung.

Tennisellenbogen

Hinweise auf die Wirksamkeit der Blutegelbehandlung bei chronischen Sehnenentzündungen ergab eine Studie mit 40 Epikondylitis-Patienten. Hier führte die einmalige Blutegeltherapie im Vergleich zur täglichen Applikation von Diclofenac Gel für einen Monat zu signifikant stärkeren Schmerzreduktionen [11].

Durchblutung

Zum Nachweis der Wirksamkeit der Blutegeltherapie bei Patienten mit venöser Stase liegt eine Reihe von Übersichtsarbeiten und Fallberichten vor [12, 13, 14, 15, 16, 17]. Bei dieser Indikation steht die durchblutungsfördernde und entzündungshemmende Wirkung der Blutegeltherapie im Vordergrund.

Ebenso erfolgreich wurde die Blutegeltherapie bei massiven Hämatomen (z.B. Zunge, Hoden) eingesetzt [18, 19, 20].

Wundheilung

Insgesamt sind diese Studien gute Hinweise auf die therapeutische Wirkung der Blutegelbehandlung bei Wundheilungsprozessen sowie bei thrombophlebitischen Erkrankungen. In letzterem Indikationsfeld werden häufig in Heilkundepraxen erfolgreiche Behandlungen der symptomatischen Beschwerden dieser Leiden durchgeführt [21].

Tinnitus & Migräne

Einzelne Arbeiten weisen außerdem auf ein Therapiepotential der Blutegelbehandlung bei Tinnitus [22] oder Migräne [23] hin.

Qualitätssicherung der Therapie

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Tab. 2:
Dreistufiges Therapiekonzept zur Durchführung einer fachgerechten Blutegeltherapie.

Da bei der Blutegeltherapie Nachwirkungen bis hin zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen möglich sind (siehe Packungsbeilage unter www.blutegel.de „downloads“), gehört die Anwendung dieser Therapie ausschließlich in die Hände erfahrener Therapeuten. Für eine sichere Behandlung hat sich ein Qualitätssicherungssytem etabliert, das bei stringenter Einhaltung hilft, Nachwirkungen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden. Dieses Qualitätssicherungssytem beinhaltet die angemessene Zwischenhaltung der Egel vor der Anwendung, einschließlich der Vorbereitung der Blutegel für die Therapie (siehe Haltungshinweise vor der therapeutischen Anwendung www.blutegel.de „downloads“) und das Konzept der Patientenführung mit Vorsorge, Behandlungsdurchführung und Nachsorge [24] 



Quelle: heilpraktiker-berufs-bund.de

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