Blutegeltherapie
Blutegel sind enge Verwandte der Regenwürmer, die sich von tierischem oder menschlichem Blut ernähren. Für die Blutegeltherapie wird der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) verwendet. Die Tiere werden auf die Haut des zu behandelnden Menschen gesetzt. Dort schneidet der Egel mit seinen scharfen Zähnen eine kleine Wunde in die Haut, aus der er anschließend Blut saugt. Dabei gelangen die Inhaltsstoffe seines Speichels ins Blut des Menschen.
Die Wirkung dieser Therapie setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: Bei einigen Krankheiten resultiert sie daraus, dass durch das entnommene Blut bestimmte schädliche Substanzen den Körper verlassen oder eine übermäßige Blutfülle behoben wird. Daher wurde die Blutegeltherapie lange ausschließlich den sogenannten Ausleitungsverfahren (auch Ausleitverfahren) zugeordnet. Zusätzlich enthält jedoch der Speichel der Blutegel diverse Wirkstoffe, die durch den Biss in den menschlichen Körper eindringen und dort aktiv werden. Sie haben unter anderem gerinnungshemmende, durchblutungsfördernde, krampflösende, entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften.
Die Naturheilkunde setzt die Blutegeltherapie unter anderem bei entzündlichen oder venösen Erkrankungen, Gelenkerkrankungen, lokalen Infektionen und bestimmten Augenerkrankungen ein. Die Schulmedizin zählt inzwischen in der plastischen Chirurgie und in der Schmerztherapie auf die Hilfe der Egel.
Blutegeltherapie – ein kurzer Überblick
Im folgenden Abschnitt finden Sie die wichtigsten Informationen zur Blutegeltherapie in Kürze.
- Beschreibung: Blutegel werden auf die Haut eines Menschen gesetzt und saugen sein Blut, während sie gleichzeitig ihren Speichel in die Wunde abgeben, der darüber in die Blutbahn des Menschen gelangt.
- Wirkung: Blutegelspeichel enthält unter anderem schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkstoffe sowie Stoffe, die die Durchblutung und den Lymphfluss anregen, die Bildung von Blutgerinnseln verhindern oder bereits bestehende Gerinnsel auflösen können. Der Blutverlust während der Anwendung wirkt zusätzlich wie ein kleiner Aderlass.
- Anwendungsgebiete: Unter anderem entzündliche und venöse Erkrankungen, Gelenkerkrankungen, lokale Infektionen, Augenerkrankungen, plastische Chirurgie, Schmerztherapie.
- Mögliche Nebenwirkungen: Leichter, brennender Schmerz zu Behandlungsbeginn, Verfärbungen der Bissstellenränder für bis zu zwei Wochen, Juckreiz in den ersten drei Tagen nach der Therapie, Blutergüsse (Hämatome) an der Bissstelle, Kreislaufprobleme, Lymphknotenschwellungen, Narbenbildung, verlängerte Nachblutungen, verzögerte Wundheilung, Blutdruckabfall, allergische Reaktionen, lokale Entzündungen, Infektionen.
- Kontraindikationen: Körperliche Schwäche, Anämie (Blutarmut), Blutgerinnungsstörungen, Erkrankungen im arteriellen Gefäßsystem, bekannte Allergie gegen das Sekret der Blutegel, Diabetes, Autoimmunkrankheiten, Schwangerschaft. Die Therapie sollte zudem nur bei Erwachsenen angewendet werden.
- Hinweis: Eine Blutegeltherapie sollte nur von erfahrenen, ausgebildeten Therapeuten oder Therapeutinnen und nur nach vorheriger ärztlicher Beratung durchgeführt werden. Im Rahmen der Therapie ist besonders auf die Einhaltung der hygienischen Vorschriften zu achten.
Geschichte der Blutegeltherapie
Zum Ursprung der Blutegeltherapie gibt es verschiedene Angaben. Manche Quellen verorten ihn circa dreitausend Jahre vor Christi Geburt in Mesopotamien, andere benennen das alte Ägypten als Ursprungsland oder sehen Schriften aus Indien um fünfhundert vor Christus als die ersten Dokumentationen dieser Therapieform an. In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Blutegeltherapie mehrere tausend Jahre alt ist.
Wie Heilerinnen und Heiler ursprünglich darauf kamen, Blutegel am Menschen zu verwenden, ist nicht dokumentiert. Es ist aber bekannt, dass Tiere wie Pferde, Wasserbüffel, Rinder und Schafe bei Gelenkproblemen nach Möglichkeit Tümpel mit Blutegeln aufsuchen und sich von ihnen „behandeln“ lassen. Es wäre möglich, dass Menschen die Tiere dabei beobachteten und daraus Rückschlüsse auf die heilsamen Eigenschaften der Blutegel zogen.
Ungefähr zweihundert Jahre vor Christus berichteten die Griechen Nikander und Colophon erstmals über Blutegelbehandlungen in Europa. Im achtzehnten Jahrhundert war die Blutegeltherapie in Frankreich stark in Mode: circa einhundert Millionen Blutegel pro Jahr wurden für Behandlungen verwendet. Damals geriet diese Therapiemethode in Verruf, weil sie häufig durchgeführt wurde, ohne die Ausgangslage des Patienten oder der Patientin zu berücksichtigen; dazu kam, dass meist eine viel zu große Anzahl an Egeln verwendet wurde, sodass der Blutverlust zum Teil lebensbedrohlich hoch war. Zu dieser Zeit wurde diese Methode auch als „Vampirismus“ bezeichnet.
Doch da die Blutegeltherapie über die Jahrhunderte auch viele Erfolge verzeichnen konnte, versuchten einige Forschende, herauszufinden, worin die Wirkung der Egel bestehen könnte. Und tatsächlich konnte John Berry Haycraft, ein britischer Physiologe, 1884 belegen, dass der Blutegelspeichel medizinisch wirksame Inhaltsstoffe enthält. Einer der wichtigsten ist Hirudin. Diese chemische Verbindung wirkt gerinnungshemmend auf das Blut, löst Gefäßkrämpfe und verbessert so die Fließeigenschaften von Blut und Lymphe. Später konnten weitere Stoffe nachgewiesen werden, unter anderem Eglin und Bdellin. Beide wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend.
Inzwischen weiß man, dass insgesamt rund zwanzig aktive Inhaltsstoffe des Egelspeichels, allesamt Proteinverbindungen, beim Blutegelbiss ihren Weg ins Blut des Menschen finden. Welche das im Einzelnen sind und wie sie genau wirken, ist bisher nur für einige von ihnen erforscht.
Seit erwiesen ist, dass die Blutegeltherapie auf wissenschaftlich plausiblen Zusammenhängen beruht, erlebt sie in den letzten Jahrzehnten ein „Comeback“ und wird heute nicht nur in naturheilkundlichen Praxen, sondern vermehrt auch in verschiedenen Bereichen der Schulmedizin eingesetzt.
Was sind Blutegel?
Das Wort Egel stammt vom griechischen Wort „echis“ und bedeutet „kleine Schlange“. Weltweit gibt es mehr als sechshundert Egelarten. Für die Blutegeltherapie kommt der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) zum Einsatz, der in Europa, Nordafrika und Kleinasien beheimatet ist. Er hat meist eine bräunliche bis olivgrüne Farbe, einen schwarzgefleckten Bauch und rote Längsstreifen auf dem Rücken. Ein ausgewachsenes Exemplar kann eine Länge von etwa fünfzehn Zentimetern erreichen und in freier Wildbahn rund dreißig Jahre alt werden.
Der Lebensraum der Blutegel ist das Süßwasser. Tastorgane an ihrer Hautoberfläche verraten ihnen auf mehrere Meter Entfernung, ob sich Beute in der Nähe befindet. Haben Sie ein Beutetier ausgemacht, schwimmen sie zu ihm und saugen sich fest. Sie besitzen drei Kiefer, die alle mit scharfen Zähnen ausgestattet sind. Entsprechend ähnelt ihr Biss einem dreistrahligen Stern. Eine Mahlzeit dauert etwa dreißig bis sechzig Minuten. In dieser Zeit kann der Egel eine Blutmenge aufnehmen, die fünf Mal so groß wie sein eigenes Körpergewicht ist. Ist die Sättigung erreicht, fällt der Blutegel von seinem Beutetier ab. Anschließend kann er ein bis zwei Jahre ohne erneute Nahrungsaufnahme überleben.
Durch die starke Verbreitung der Blutegeltherapie wurden die Vorkommen freilebender Blutegel in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts immer kleiner. Denn die Egel wurden gesammelt, um immer genug Nachschub für die Behandlungen zu haben. In Europa findet man sie seitdem kaum noch in ihrem natürlichen Lebensraum. Stattdessen werden sie für den medizinischen Gebrauch in speziellen Farmen gezüchtet. Um die wildlebenden Vorkommen nicht noch weiter zu dezimieren, steht der Blutegel in Deutschland und anderen europäischen Ländern unter Naturschutz und darf nur mit einer besonderen Genehmigung gesammelt werden.
Für den medizinischen Bedarf können Blutegel direkt bei Züchtern oder über Apotheken bestellt beziehungsweise erworben werden. Strenge Auflagen des Arzneimittelgesetzes schreiben vor, dass nur Blutegel aus regelmäßig geprüften Zuchtanstalten verwendet werden dürfen. Bei der Aufbewahrung bis zum Einsatz der Tiere müssen bestimmte Regeln befolgt werden. Diese werden vom Hersteller oder der Apotheke normalerweise mitgeliefert.
Die Blutegel dürfen aus hygienischen Gründen nur ein einziges Mal verwendet werden und müssen anschließend entweder auf genau vorgeschriebene Weise getötet werden (mit Hilfe von hochprozentigem medizinischem Alkohol oder durch Einfrieren) oder kostenpflichtig an die Zuchtbetriebe zurückgesandt werden. Dort werden sie nach einer achtmonatigen Quarantänezeit in spezielle „Rentnerteiche“ umgesetzt, wo sie bis zum Eintreten ihres natürlichen Todes leben können.
Wir möchten an dieser Stelle allen Verwenderinnen und Verwendern medizinischer Blutegel dringend ans Herz legen, die etwas höheren Kosten für die Rücksendung der Egel aufzuwenden, damit diesen nützlichen Tieren ihr Dienst für die Gesundheit des Menschen gedankt wird und sie weiterleben dürfen! Immerhin ist der Blutegel ein Lebewesen, das nicht als einmaliger Gebrauchs- oder gar Wegwerfgegenstand betrachtet werden sollte. Eine Tötung der Egel nach einmaligem Einsatz aus Gründen einer Kostenersparnis ist unter ethischen Gesichtspunkten nicht korrekt und sollte, wenn irgend möglich, vermieden werden. Sie können aktiv einen Beitrag zum Tierschutz leisten, indem Sie Blutegel nur bei Zuchtbetrieben bestellen, die eine Rücknahme ermöglichen, verwendete Egel immer zurücksenden und als Patientin oder Patient Ihre Blutegeltherapie nur dort durchführen lassen, wo Sie sicher sind, dass die Tiere nach der Behandlung den Weg in einen „Rentnerteich“ finden.
Wirkung der Blutegeltherapie
Lange Zeit erklärte man sich die Wirkung der Blutegeltherapie ausschließlich damit, dass der Blutverlust eine reinigende Wirkung hätte, weil der Körper das verlorene Blut durch frisch gebildetes ersetzen muss. Durch den Blutverlust während einer solchen Therapie werden in geringen Mengen tatsächlich im Blut vorhandene Giftstoffe ausgeschieden und die Anwendung wirkt quasi wie ein „Mini-Aderlass“ (nähere Informationen zur Methode des Aderlasses finden Sie in der Linksammlung am Ende dieses Artikels). Auf manche Krankheiten trifft diese Wirkungsweise auch zu, doch das ist nicht alles.
Spätere Forschungen haben ergeben, dass der Speichel der Blutegel einen regelrechten Cocktail medizinisch wirksamer Stoffe enthält. Diese können sich allein oder als Gemisch positiv auf verschiedene Beschwerden auswirken. Unter anderem enthält der Egelspeichel schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkstoffe, sowie Stoffe, die die Durchblutung und den Lymphfluss anregen, die Bildung von Blutgerinnseln verhindern oder bereits bestehende Gerinnsel auflösen können. Bislang sind folgende wichtige Wirksubstanzen im Blutegelspeichel identifiziert worden:
Hirudin hemmt die Blutgerinnung und wirkt somit prophylaktisch der Bildung von Thrombosen entgegen. Eine Thrombose (auch Thrombus oder „Blutpfropf“ genannt) ist ein Blutgerinnsel, das in sämtlichen Blutgefäßen des Körpers auftreten kann.
Faktor Xa-Hemmer wirkt ebenfalls der Bildung von Thrombosen entgegen. Er hemmt die Plasmagerinnung im Blut, indem er sich an den Blutgerinnungsfaktor Xa bindet.
Calin hemmt den Wundverschluss, hält eine Wunde also länger offen, als der Körper das natürlicherweise tun würde. Calin ist die Ursache dafür, dass die Bissstellen nach einer Blutegeltherapie lange nachbluten.
Destabilase und Apyrase sorgen für eine Thrombolyse, also eine Auflösung von bereits entstandenen Thrombosen im Blut.
Hirustasin wirkt entzündungshemmend und durchblutungsfördernd.
Bdellin, Eglin und LDTI (Leech Derived Triptase Inhibitor) wirken entzündungshemmend.
Die Erforschung der nützlichen Inhaltsstoffe des Egelspeichels geht weiter und man darf gespannt sein, welche Ergebnisse sie noch hervorbringen wird!
Anwendungsgebiete
Nachdem die Blutegeltherapie in der Schulmedizin lange als wirkungslose und sogar gefährliche Scharlatanerie galt, finden Blutegel heute unter anderem Anwendung in der plastischen Chirurgie. Die dabei häufig entstehenden hartnäckigen Hämatome (“blaue Flecken“) werden mit Blutegeln behandelt; beispielsweise kann durch die Blutegeltherapie nach Hauttransplantationen eine venöse Stauung aufgelöst und Thrombosen vorgebeugt werden. Auch zur Entstauung der Lymphe nach Mamma-Rekonstruktionen (Wiederherstellung der Brust im Anschluss an eine Operation) werden hin und wieder Egel angesetzt.
Die Schmerztherapie ist ein weiteres Einsatzfeld für die hilfreichen kleinen Blutsauger in der Schulmedizin. Unter anderem bei Schmerzen, die durch Arthrose, Rheuma oder weitere Gelenkerkrankungen ausgelöst werden, konnten mit der Blutegeltherapie gute Erfolge erzielt werden. Nach Ansicht einiger Expertinnen und Experten sind die Stoffe im Blutegelspeichel so wirksam, dass die Blutegeltherapie in diesem Punkt sogar einer Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) überlegen ist. Das sind Medikamente, die eine schmerzstillende und entzündungshemmende, zum Teil auch gerinnungshemmende Wirkung haben und häufig gegen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Arthritis oder Zahnschmerzen eingesetzt werden. Dazu zählen beispielsweise die Medikamente Aspirin und Ibuprofen.
Chronische Rückenschmerzen und hartnäckige Verspannungen werden zum Teil in der Schulmedizin ebenfalls bereits mit Blutegeln behandelt. Hier kommt neben dem schmerzstillenden vor allem auch der durchblutungsfördernde Aspekt der Speichelwirkstoffe zum Tragen.
In vielen naturheilkundlichen Praxen wird die Blutegeltherapie bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt; dazu gehören
- Bluthochdruck (Hypertonie),
- Besenreiser,
- Arthrose,
- Arthritis,
- Rheuma,
- Furunkel,
- Karbunkel,
- Ohrensausen oder andere Ohrgeräusche (Tinnitus),
- Migräne,
- akute Gichtanfälle,
- chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen (Nasennebenhöhlenentzündung) und des Mittelohrs,
- Hodenentzündungen,
- Gallenblasenentzündungen,
- Brustdrüsenentzündung
- und Sehnenscheidenentzündung.
Eine gewünschte Entgiftung und Ausleitung kann ebenfalls mit Blutegeln unterstützt werden. Die Haupteinsatzgebiete sind jedoch:
- venöse Stauungen,
- Varikosis (Krampfadern)
- und die Thrombophlebitis (oberflächliche Venenentzündung).
Kontraindikationen
Bei Menschen, die körperlich stark geschwächt sind und/oder unter Anämie (Blutarmut) leiden, sollte die Blutegeltherapie nicht eingesetzt werden. Bei Kindern und Schwangeren ist ebenfalls vom Einsatz der Blutegel abzusehen. Weitere Kontraindikationen sind Blutgerinnungsstörungen, Erkrankungen im arteriellen Gefäßsystem, eine bekannte Allergie gegen das Sekret der Blutegel, Diabetes sowie Autoimmunkrankheiten.
Durchführung einer Blutegelbehandlung
Wie bereits oben erwähnt, ist es unerlässlich, nur Blutegel zu verwenden, die aus zertifizierten Blutegelzuchtbetrieben oder aus Apotheken stammen.
Die Haut sollte drei Tage vor der Behandlung an den ausgewählten Stellen weder mit Seife gewaschen noch eingecremt werden. Da die Blutegel äußerst sensibel auf Gerüche reagieren, darf die Haut vorher ausschließlich mit Wasser gereinigt werden. Bei Menschen, die rauchen, bestimmte Medikamente einnehmen (etwa Betablocker) oder sehr gestresst sind, kann es passieren, dass die Blutegel sich nicht so leicht festsaugen. Das Einritzen der Haut vor dem Aufsetzen der Egel kann hier Abhilfe schaffen.
Der Patient oder die Patientin sollte bei der Behandlung eine bequeme und angenehme Haltung einnehmen, da die Therapie bis zu zwei Stunden dauern kann. Der Therapeut oder die Therapeutin legt sich vor Beginn das nötige Zubehör bereit. Alles sollte in Ruhe geschehen, da die Blutegel äußert stressempfindlich reagieren.
Um die Durchblutung anzuregen, werden die betreffenden Hautareale vor der Behandlung mit einem feuchtwarmen Tuch abgerieben. Bei lokal begrenzten Krankheiten werden die Blutegel auch auf der erkrankten Stelle, zum Beispiel im Bereich eines Gelenkes, angebracht. Handelt es sich um eine systemische Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft, wie zum Beispiel Hypertonie (Bluthochdruck), werden die Egel an Stellen angesetzt, bei denen erfahrungsgemäß eine gute Wirkung zu erwarten ist. Niemals wird ein Blutegel direkt auf einem Entzündungsherd oder auf einer Vene angebracht. In diesem Falle wird ein Ort in der Nähe gewählt.
Der Blutegel wird mit Hilfe einer Pinzette aus seinem Aufbewahrungsbehälter geholt und auf die gewählte Hautstelle platziert. Der Blutegel verströmt beim ersten Biss ein Sekret, das die Poren der Haut öffnet. Der Biss ist nicht schmerzhafter als ein kleiner Pikser mit einer Nadel. Manche Patientinnen und Patienten vergleichen ihn auch mit dem Berühren einer Brennnessel. Während einer Sitzung werden circa zwei bis zehn Egel gleichzeitig eingesetzt. Im Zuge des Saugvorgangs geben sie die oben beschriebenen heilsamen Substanzen über ihren Speichel ab.
Ein Egel verweilt ungefähr sechzig bis neunzig Minuten am Körper, bis er von selbst abfällt. Niemals sollten die Tiere gewaltsam entfernt werden. Die Menge des entzogenen Blutes beträgt circa zehn bis zwanzig Milliliter pro Blutegel. Deshalb wird diese Therapie auch oft als „Mini-Aderlass“ bezeichnet.
Ist der Blutegel abgefallen, kann die Wunde noch längere Zeit nachbluten. Der dabei zu erwartende Blutverlust liegt noch einmal bei etwa der gleichen Blutmenge, die während des Saugens aufgenommen wurde, also etwa zehn bis zwanzig Milliliter pro Tier. Insgesamt liegt der Blutverlust pro Egel also bei zwanzig bis vierzig Millilitern. Danach wird die Wunde mit einem saugfähigen Verband locker verschlossen. Das Nachbluten gehört zur Behandlung und sollte nicht unterbrochen werden, da es die Wirksamkeit der Blutegeltherapie unterstützt. Auch wird durch das Nachbluten die Wunde von eventuellen Keimen befreit. Das Nachbluten kann bis zu vierundzwanzig Stunden dauern. Daher wird in manchen Praxen der Patient oder die Patientin gebeten, nach der Behandlung noch einige Stunden in der Praxis zu bleiben. Der Verband muss spätestens am nächsten Tag gewechselt werden.
Blutegel dürfen niemals abgerissen werden, denn dabei könnten Teile des Kiefers in der Wunde verbleiben. Auch besteht die Gefahr, dass sich der Egel erbricht und Verdauungsrückstände sowie Verdauungsbakterien in die Wunde abgibt. Salz auf den Egel zu streuen, wie häufig erwähnt, sollte ebenso unterlassen werden.
Muss die Behandlung aus wichtigen Gründen vorzeitig beendet werden, so wird mit Hilfe eines Holzspatels versucht, den Kopf des Blutegels von verschiedenen Seiten aus vorsichtig anzuheben, um das Tier ganz vorsichtig zu entfernen. Manchmal hilft auch ein in Alkohol getränkter Tupfer, der in der Nähe des Bisses platziert wird.
Je nach Art der Erkrankung und individuellem Ansprechen auf die Therapie muss eine Blutegelbehandlung nur einmal oder mehrmals durchgeführt werden. Selten ist eine wiederholte Anwendung über einen längeren Zeitraum erforderlich.
Nebenwirkungen
Häufig ist zu Beginn der Behandlung ein leichter, brenndender Schmerz zu spüren. Dieser hält jedoch normalerweise nur circa fünf Minuten an. Die Ränder der Bissstelle können sich verfärben, was bis zu zwei Wochen erkennbar bleiben kann. Häufig tritt Juckreiz in den ersten drei Tagen nach der Blutegeltherapie auf. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Blutergüsse (Hämatome) an der Bissstelle, Kreislaufprobleme und Lymphknotenschwellungen. Auch eine Narbenbildung ist möglich, worauf der Patient oder die Patientin vor der Behandlung unbedingt hingewiesen werden muss.
Nebenwirkungen, die gelegentlich oder selten auftreten, sind verlängerte Nachblutungen, eine verzögerte Wundheilung, Blutdruckabfall, allergische Reaktionen, starke lokale Entzündungen und Infektionen.
Blutegeltherapien sollten daher nur von erfahrenen, ausgebildeten Therapeuten oder Therapeutinnen durchgeführt werden. Im Rahmen der Therapie ist besonders auf die Einhaltung der hygienischen Vorschriften zu achten.
Nach der Therapie
In vielen Praxen muss der Patient oder die Patientin nach der Behandlung noch einige Stunden bleiben. Da nach dem Abfallen der Blutegel eine gewollte Nachblutung einsetzt, wird die Wunde mit einem losen, aber dicken Verband abgedeckt. Die Nachblutungszeit beträgt vier bis vierundzwanzig Stunden. Sie gehört zur Behandlung, ist wichtig für die Heilung und trägt zur Selbstreinigung der Wunde bei. Wichtig ist, dass der Verband regelmäßig gewechselt wird. Die meisten Therapeutinnen oder Therapeuten bestellen daher den Patienten oder die Patientin für den nächsten Tag zum Verbandswechsel.
Am Tag der Blutegeltherapie sollte man sich ausruhen und vor allem auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, am besten durch stilles Wasser oder ungesüßten Kräutertee. Eventuell entsteht nach der Behandlung ein Juckreiz. Diesem sollte nicht durch Kratzen nachgegeben werden, da sich sonst die Wunde infizieren könnte. Insbesondere dann, wenn die Blutegel an oder in der Nähe von Gelenken angesetzt wurden, sollten die betreffenden Bereiche eine Zeitlang nicht oder nur geringfügig belastet werden.
Wichtige Hinweise
Ob eine Blutegeltherapie für Sie geeignet ist, sollten Sie vorab mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin besprechen. Wichtig ist dabei auch, sich über die Medikamente zu beraten, die Sie gegebenenfalls gerade einnehmen. Bestimmte Medikamente dürfen während einer Blutegeltherapie nicht eingenommen werden und grundsätzlich gehört diese spezielle Therapie ausschließlich in die Hände erfahrener und dafür ausgebildeter Behandlerinnen und Behandler (Arzt, Ärztin, Heilpraktiker, Heilpraktikerin). Eine ausführliche Checkliste, was bei der Vorsorge, Behandlung und Nachsorge zu beachten ist, finden Sie bei unseren Tipps zum Weiterlesen. (kh, sw)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.