Die Blutegeltherapie ist ein Verfahren der Naturheilkunde und bereits seit etwa 2.000 Jahren bekannt. Während des Blutsaugens sondern die Egel verschiedene Stoffe in Blut und Gewebe ab. Dies macht man sich bei der Behandlung verschiedener Erkrankungen zunutze, zum Beispiel bei Entzündungen und Schmerzen.
Blutegel – die Bezeichnung "Egel" leitet sich aus dem griechischen Wort echis ab, was so viel wie kleine Schlange bedeutet – zählen zu den Ringelwürmern und gelten als höherentwickelte Verwandte der Regenwürmer.
Von den insgesamt 14 verschiedenen Egelarten werden hauptsächlich der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) und der ungarische Blutegel (Hirudo verbana) therapeutisch genutzt und speziell zu diesem Zweck gezüchtet. Die Blutegel unterliegen in Deutschland als zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel strengen Qualitätsstandards und Hygienebestimmungen.
So funktioniert die Blutegeltherapie
Blutegel saugen Blut, indem sie eine kleine Wunde in die Haut bohren und sich festsetzen. Mit ihrem Speichel geben sie dabei mindestens 30 verschiedene Substanzen in Blut und Gewebe ab. Diese wirken unter anderem gegen Schmerzen und Entzündungen – außerdem hemmen sie die Blutgerinnung. Eine dieser gerinnungshemmenden Substanzen ist Hirudin, eine weitere Calin. Letzeres bewirkt die bis zu 24 Stunden dauernde Reinigung der Wunde durch Nachbluten, was einem sanften Aderlass gleichkommt.
Bei der Blutegeltherapie macht man sich vor allem die Wirkstoffe im Speichel der Parasiten zunutze. Aber auch dem Bissreiz und der Nachblutung nach dem Abfallen des Blutegels wird therapeutische Wirkung zugeschrieben.
Der Effekt dieser Blutegelbehandlung beruht in der Hauptsache auf zwei Faktoren.
Das Hirudin einerseits wirkt
- gerinnungshemmend,
- lymphstrombeschleunigend,
- antithrombotisch und
- gefäßkrampflösend.
Hinzu kommt der Blutentzug: Der Egel saugt etwa zehn bis 15 Milliliter Blut, noch einmal soviel wird durch die Nachblutung ausgeleitet. Die Wirkung davon soll
- allgemein erleichternd und beruhigend,
- blutreinigend und entgiftend,
- entzündungshemmend sowie
- krampflösend sein.
So läuft die Blutegeltherapie ab
Vor Beginn einer Blutegelbehandlung reinigt der Therapeut zunächst die Haut des Patienten und setzt dann eine unterschiedliche Anzahl Egel auf. Die Zahl der anzusetzenden Blutegel richtet sich nach dem Alter des Patienten, dessen Ernährungszustand und dem Krankheitsbild. Auch die Häufigkeit der beabsichtigten Anwendung und die Größe der Blutegel spielen eine Rolle.
Bei Kindern darf pro Lebensjahr höchstens ein Blutegel verwendet werden. Um sicherzustellen, dass die Tiere sich an der gewünschten Stelle festsetzen, werden sie in einem umgestülpten Glas auf die Haut gesetzt.
Der Biss der Blutegel tut nicht weh
Der Biss des Egels ist nicht direkt schmerzhaft, da der Egel in freier Natur kein Interesse daran hat, von seinem Opfer bemerkt zu werden. Genau genommen handelt es sich um ein Sägen: Drei sternförmig angeordnete Sägeleisten mit jeweils etwa 80 Kalkzähnchen raspeln sich vorsichtig durch die Haut, um zum Blut zu gelangen. Zwischen den Kalkzähnchen sind Öffnungen, durch die Saliva (Blutegelspeichel) abgegeben wird.
Beschrieben wird ein feines Stechen oder Ziehen, wenn sich der Blutegel Zugang zu seiner Nahrungsquelle verschafft; dies und die darauf folgenden rhythmischen Saugbewegungen zeigen an, dass der Biss stattgefunden hat und der eigentliche Saugakt beginnt.
Die Blutegeltherapie erfordert einen ruhigen, halbdunklen Raum. Nicht nur, um den Patienten zu entspannen, sondern ebenso die Blutegel, die empfindlich auf Stress reagieren. Bei gestressten Tieren erhöht sich das Risiko von Nebenwirkungen.
In der Regel dauert es zwischen 20 bis 90 Minuten, manchmal auch bis zu drei Stunden, bis die Blutegel ihre Mahlzeit beenden und von alleine abfallen. Sie sollten nicht gewaltsam entfernt werden, da der Kiefer in der Wunde zurückbleiben und Entzündungen hervorrufen könnte.
Der Saugakt kann aber durch Betupfen mit Essig, Salz oder Alkohol unterbrochen werden. Aufgrund des Wirkstoffs Calin bleibt die Wunde acht bis 24 Stunden offen und blutet leicht. Daher ist ein steriler Verband notwendig.
Einsatz in der plastischen Chirurgie
Ein Einsatzgebiet der Blutegeltherapie ist die plastische Chirurgie, hauptsächlich nach der Replantation von Ohren, Fingern, Zehen oder Hautlappen, sowie die unfallchirurgische Versorgung zur Wiederherstellung der Durchblutung nach Haut- und Gliedmaßenverletzungen.
Nach der Replantation von Gliedmaßen oder Hautlappen wird zwar die arterielle Versorgung mikrochirurgisch wiederhergestellt, der venöse Abfluss dagegen bereitet Schwierigkeiten. Es dauert gut eine Woche, bis die kleinsten Blutgefäße, die Kapillaren, wieder von alleine nachsprießen. In dieser Zeit kann es infolge von Blutstauungen zu einer ungenügenden Blutversorgung der Kapillare kommen. Eine Gewebsnekrose, also das Absterben von Gewebe, kann die Folge sein. Durch den Einsatz der medizinischen Blutegel kann die venöse Stauung abgesaugt und das umliegende Gewebe gerettet werden.
Blutegel als Therapie bei Schmerzen
Die Blutegelbehandlung gehört zu den sogenannten ausleitenden Therapiemethoden und wird in der Alternativmedizin in vielen Bereichen angewendet, insbesondere wenn Schmerzlinderung und eine herabgesetzte Blutgerinnung erreicht werden sollen. Oft kommt das Verfahren dann zum Einsatz, wenn schulmedizinisch bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
Zwei Studien haben die Wirksamkeit der Behandlung mit Blutegeln bei Kniearthrose untersucht. Die Blutegeltherapie war dabei der konventionellen Behandlung mit Medikamenten überlegen, die Schmerzen gingen bei der Mehrzahl der Teilnehmer zurück, die Wirkung hielt bis zu sechs Monate an. Der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bewertet die Studien wegen methodischer Schwächen jedoch als nicht aussagekräftig. Ein Placebo-Effekt könne nicht ausgeschlossen werden. Es könne zudem keine Aussagen zu einem Langzeiteffekt getroffen werden. Für Patienten heißt dies, dass die Behandlung selbst bezahlt werden muss.
Heilpraktiker, spezialisierte Ärzte und Kliniken wenden die Blutegelbehandlung zum Beispiel bei schmerzhaften Gelenkerkrankungen wie Kniegelenksarthrosen, Sprunggelenksarthrosen und rheumatische Erkrankungen an. Weitere Krankheiten, die mit dieser Therapieform behandelt werden können, sind unter anderem
- Gicht
- Rheuma
- Nervenschmerzen
- Wundheilungsstörungen
- Durchblutungsstörungen
- Krampfadern, Venenentzündung, Beschwerden nach Thrombosen (postthrombotisches Syndrom)
- Sehnenscheidenentzündung
- Herpes zoster
Nicht geeignet ist die Therapiemethode bei
- starker Blutungsneigung
- akuten Infektionen
- Magenblutungen
- Schwangerschaft
- gleichzeitiger Anwendung gerinnungshemmender Mittel
- Gefäßerkrankungen (PAVK: Symptome, Stadien und Therapie der Schaufensterkrankheit, Diabetische Begleit- und Folgeerkrankungen)
Risiken und Nebenwirkungen der Blutegelbehandlung
Zu den häufigeren Nebenwirkungen einer Behandlung mit Blutegeln zählt neben leichten Schwellungen, Blutergüssen und vorübergehendem Juckreiz an der Bissstelle auch Kreislaufschwäche. Grund dafür dürfte der Wirkstoffcocktail sein, den der Blutegel in die Bisswunde abgibt. Vorbeugend wird deshalb empfohlen, am Behandlungstag zu ruhen und viel zu trinken.
Als seltene Nebenwirkung wird eine Wundinfektion an der Bissstelle genannt, die in der Regel gut mit einem Antibiotikum zu behandeln ist. Um das Infektionsrisiko gering zu halten und Krankheitsübertragungen auszuschließen, dürfen die Blutegel nur einmal verwendet werden.
Auch lokal begrenzte allergische Reaktionen oder verstärktes beziehungsweise lang anhaltendes Nachbluten wurden beobachtet. Mit Letzterem ist vor allem dann zu rechnen, wenn die Blutegel direkt an einer Vene angesetzt werden, beispielsweise zur Behandlung von Krampfadern. Dies macht das Anlegen eines Druckverbands erforderlich.
Blutegeltherapie muss selbst gezahlt werden
Obwohl bereits eine Reihe von medizinisch wirksamen Stoffen im Speichel der Blutegel nachgewiesen wurde, ist das Verfahren keine Kassenleistung und muss vom Patienten selbst übernommen werden. Je nach Arzt oder Therapeut können die Kosten stark variieren. Pro Sitzung muss man mit 45 bis über 100 Euro rechnen. Hinzu kommen die Ausgaben für die Blutegel, die zwischen fünf und acht Euro pro Stück kosten.
Quelle: lifeline.de